Auf den Spuren mittelalterlichen Reichtums: Spaziergang durch die Silberstadt Kutná Hora

Kutná Hora

Dank des Silberbergbaus und der Prägung der Prager Groschen war Kutná Hora / Kuttenberg im Mittelalter eine der wichtigsten böhmischen Königsstädte. Heute wird die Stadt von vielen Touristen besucht, und ihr historischer Kern gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. 

Dom der heiligen Barbara und Jesuitenkolleg | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Kutná Hora hat etwas mehr als 20.000 Einwohner und liegt im Kreis Mittelböhmen. Viele Baudenkmäler, mit dem Dom der heiligen Barbara an der Spitze, zeugen vom einstigen Ruhm und Reichtum. Denn das damalige Kuttenberg, so der deutsche Name, war im Mittelalter nach Prag die zweitgrößte Stadt Böhmens. Der Aufschwung ging auf einem Fund aus dem Jahr 1300 zurück: Unter der Siedlung wurden damals reiche Silbervorräte entdeckt. Noch im gleichen Jahr wurde mit der Prägung von Münzen in Kuttenberg begonnen.

„König Wenzel II. gab das Gesetzbuch Ius Regale Montanorum heraus. Darin wurde festgeschrieben, dass das gesamte Silber aus Kuttenberg ausschließlich dem König gehöre. Im selben Jahr führte der Herrscher auch eine Währungsreform durch, der zufolge der Prager Groschen aus Kuttenberg die einzige Währung in Böhmen sein durfte. Die Prager Groschen wurden hier in Kuttenberg von 1300 bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts geprägt.“

Soweit Jakub Hykš, der an der Universität in Olomouc / Olmütz studiert und unser Begleiter durch die Stadt ist.

Silber, Silber, Silber

Jakub Hykš | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Den Stadtrundgang starten wir auf einem Aussichtspunkt in der Nähe des sogenannten Welschen Hofes. Von dort bietet sich die Aussicht auf den Fluss Vrchlice und sein Tal, auf einen Weinberg mitten in der Stadt, vor allem aber auf das bekannteste Panorama von Kutná Hora, das sich darüber erhebt:

„Hier sehen Sie die beiden größten Sehenswürdigkeiten von Kuttenberg, die Kathedrale der hl. Barbara und das Jesuitenkolleg.“

Bequeme Schuhe sind empfohlen, denn bergauf geht es durch eine mit Steinen gepflasterte Straße, für die etwa Schuhe mit Absätzen nur schlecht geeignet sind. Zunächst geht man an dem sogenannten Hrádek, dem Bürglein vorbei. Ende des 15. Jahrhunderts ließ Jan Smíšek von Vrchoviště, ein Grubenbesitzer, der auch mit Erz handelte, dieses Anwesen in ein gotisches Patrizierpalais mit großen Sälen, Erkern und einer Kapelle umbauen:

„Das Hrádek beherbergt heute das tschechische Silbermuseum. Man kann sich hier eine Ausstellung zu Silber anschauen und auch versuchen, Münzen zu prägen. Zudem wird hier ein Gang durch die Gruben angeboten.“

Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Mit einer Lampe, einem Helm und einer Bergmannsjacke mit Kapuze ausgestattet kann man sich auf einen Rundgang durch das mittelalterliche Bergwerk in rund 40 Meter Tiefe begeben. Wer aber keine schmalen und dunklen Räume mag, dem wird lieber empfohlen, durch die Barbara-Straße entlang des mächtigen Klostergebäudes weiterzuschlendern – zur bekanntesten Dominante der Stadt und einem Juwel der Spätgotik.

Dom der heiligen Barbara | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

„Das dominante Gebäude hier in Kuttenberg ist die Kathedrale der hl. Barbara. Mit ihrem Bau wurde 1388 begonnen. An der Kirche arbeiteten viele Architekten, und wir können hier viele Kunststile bewundern, nicht nur Gotik, sondern auch Neugotik und Barock. Gründer der Kathedrale war der böhmische König Wenzel IV. Er war Sohn von Karl IV. Wenzel lebte nicht gerne in Prag, sondern hielt sich gerne in Kuttenberg auf. Dafür finanzierte er die erste Etappe des Baus. Der erste Architekt war Johann Parler, ein Sohn des berühmten Architekten Peter Parler. Die erste Bauetappe dauerte bis 1420. Dann unterbrachen die Hussitenkriege die Arbeiten, die erst in den 1480er Jahren wieder aufgenommen wurden. Architekt Matthias Rejsek entwarf das gesamte Hauptschiff. Der Architekt der weiteren Etappe im 16. Jahrhundert war Benedikt Ried, in dessen Ägide die Kathedrale zu drei Vierteln fertig wurde. Im Jahr 1558 errichtete er eine provisorische Mauer, und die Kathedrale blieb 300 Jahre lang unvollendet. Die letzte Etappe kam im Jahr 1886, finanziert von Kaiser Franz Joseph. Erst 1906 war die Kirche endgültig fertiggebaut.“

Juwel der Spätgotik

Dom der heiligen Barbara | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Der Dom ist der heiligen Barbara, der Schutzheiligen der Bergleute, geweiht. Das Langhaus der Kirche ist eine fünfschiffige Emporenhalle, sie geht in einen Chor mit Chorumgang über. Der Außenbau ist von reichem Strebewerk bestimmt. Das charakteristische dreispitzige Dach wurde erst im 19. Jahrhundert aufgesetzt. Jakub Hykš empfiehlt einen Besuch in der Kirche:

„Sie ist die zweitgrößte Kathedrale in Tschechien nach dem Veitsdom in Prag. Ursprünglich sollte sie noch größer sein, aber die Stadt hatte im 16. und 17. Jahrhundert kein Geld. Der Dom ist die höchste Kirche in Kuttenberg und eine Dominante der Stadt.“

Von dem Dom geht es wieder zurück Richtung Stadtzentrum. Unser Begleiter führt uns nun durch einen erst vor kurzem renovierten Park mit zahlreichen Skulpturen und Kunstobjekten:

„Dieser Park gehört zum sogenannten Jesuitenkolleg. Das Kloster wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaut, seitdem lebten hier die Jesuiten. 1773 hob Kaiser Joseph II. das Kloster aber auf. Ab 1950 war es eine Kaserne für tschechoslowakische Soldaten. In diesem schönen Park waren Garagen, Militärfahrzeuge, bis 1991 war es kein schöner Ort. Vor rund 15 Jahren kaufte der Kreis Mittelböhmen das ganze Areal, und heute ist hier eine Sammlung moderner Kunst zu sehen.“

Dom der heiligen Barbara | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Galerie des Kreises Mittelböhmen im Jesuitenkolleg

Seit 2010 befindet sich im ehemaligen Jesuitenkolleg in Kutná Hora die sogenannte GASK, also Galerie des Kreises Mittelböhmen, die sich um den kulturellen Aufschwung der Stadt erheblich verdient gemacht hat.

Jesuitenkolleg,  Sitz der Galerie des Kreises Mittelböhmen GASK | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Die Silberförderung sorgte im Mittelalter nicht nur für Wohlstand und einen Aufschwung der Stadt, sondern hatte auch ein praktisches Problem zur Folge. Es kam zu Schwierigkeiten mit der Trinkwasserversorgung, da durch den intensiven Bergbau die unterirdischen Quellen beeinträchtigt waren. Das Problem wurde mit Hilfe einer mehrere Kilometer langen hölzernen Wasserleitung gelöst, über die Reservoirs an mehreren Stellen in der Stadt versorgt wurden. Ein zwölfeckiger gotischer Brunnen im Zentrum erinnert heute noch an dieses System der Trinkwasserversorgung, das bis Ende des 19. Jahrhunderts funktionierte:

„Der Steinbrunnen stammt aus dem 15. Jahrhundert. Er war eine Wasserzisterne für die ganze Stadt. Die Bergleute kamen hierher, um Wasser zu holen. Der Brunnen war drei Kilometer von Kuttenberg entfernt beim Dorf Bylany. Von dort führten Aquädukte hierher.“

Der Steinbrunnen stammt aus dem 15. Jahrhundert | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Unser Begleiter führt uns weiter an der Johannes-Nepomuk-Kirche vorbei, der einzigen Barockkirche in der Stadt, sowie an einer barocken Pestsäule aus dem 17. Jahrhundert. Und bald erreichen wir den Palacký-Platz, heute ist dies der Hauptplatz von Kutná Hora. Eigentlich war diese Fläche aber im Mittelalter bebaut:

„Ursprünglich stand hier das Rathaus aus dem 14. Jahrhundert, das aber 1770 abbrannte. Es war das zweitgrößte Rathaus in Böhmen, fast so groß wie das Rathaus auf dem Altstädter Ring in Prag.“

Palackého náměstí | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Neu renoviertes Sankturin-Haus

Das sogenannte Sankturin-Haus, ein imposantes Palais mit einer Barockfassade, bildet die Dominante des Palacký-Platzes. Im Erdgeschoss ist ein Informationszentrum untergebracht. In den oberen Stockwerken befinden sich die Felix-Jenewein-Galerie für moderne Kunst sowie eine interaktive Ausstellung über Alchemie in Kuttenberg. Jakub Hykš führt uns in den künstlerisch wertvollsten Teil des Hauses – die Kapelle im zweiten Stock des Turmes. Das Gewölbe mit gewundenen Reihungen ist wahrscheinlich ein Werk von Meister Briccius Gauske vom Ende des 15. Jahrhundert.

Das Gewölbe des Sankturin-Hauses | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Zum Abschluss unseres Rundgangs kehren wir in das Jahr zurück, in dem die ruhmvolle Geschichte von Kutná Hora begann: 1300. Wir verabschieden uns am sogenannten Welschen Hof. Das Gebäude beherbergte einst den Königspalast und das königliche Münzamt, in dem die sogenannten Prager Groschen geprägt wurden.

„Der Welsche Hof wurde 1300 vom böhmischen König Wenzel II. gegründet. Er legte hier eine Münzstätte an, weil unter der ganzen Stadt viel Silber war. Andere Münzstätten in Böhmen, etwa Olomouc / Olmütz, Jihlava / Iglau und Litoměřice / Leitmeritz, wurden aufgelöst, und ihre Angestellten zogen nach Kuttenberg um. Sie arbeiteten hier in kleinen Räumen, die Schmieden hießen. Es wurden große Silbersteinstangen verschmolzen und in Silberbleche geklopft. Nach weiterer Bearbeitung wurden daraus die Prager Groschen geprägt. Im Prägehaus saßen 17 Präger im Kreis, und jeder von ihnen musste 2000 Prager Groschen täglich prägen. Die Arbeit war sehr schwer, nach fünf bis acht Jahren gingen die Präger in die Rente, weil sie vollständig taub waren. Aber die Präger waren die reichsten Bürger in Kuttenberg. Sie bekamen ein Gehalt von 120 Prager Groschen wöchentlich. Zum Vergleich: Die Bergleute erhielten nur sechs Prager Groschen wöchentlich. Die Präger lebten im Luxus, sie kauften neue Häuser im Zentrum der Stadt, die Bergleute lebten hingegen in kleinen Häusern am Stadtrand, ihr Leben war sehr schwer.“

Vlašský dvůr | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Der Welscher Hof: der Königspalast und da Münzamt

König Wenzel IV. ließ den Königsplast sowie die Wenzelskapelle umbauen. Die neue Königsresidenz wurde später zum Schauplatz wichtiger historischer Ereignisse: Im Jahre 1409 wurde dort das Kuttenberger Dekret unterzeichnet, mit dem er das Stimmenverhältnis in den Gremien der Karlsuniversität in Prag veränderte. 1448 wurde Georg von Podiebrad in Kuttenberg zum Landesverwalter bestimmt. Und 1471 wurde dort der junge polnische Prinz Ladislaus Jagiello zum böhmischen König gewählt. An die wichtigen historischen Ereignisse erinnern große Gemälde, die man sich beim Besuch des Welschen Hofes anschauen kann. Weitere umfangreiche Umbauten des Palastes wurden Ende des 19. Jahrhunderts in Angriff genommen. Heute bietet der Welsche Hof neben zwei Besichtigungstouren – „Das Königliche Münzamt“ und „Der Königspalast“ – auch Räumlichkeiten für Büros des Rathauses von Kutná Hora.

Soweit unser Spaziergang durch Kutná Hora. Und wenn man schon in der Stadt ist, sollte man auch Sedlec / Sedletz besuchen, einen Stadtteil am Rande. Das dortige Kloster wurde 1142 als die erste Niederlassung der Zisterzienser in Böhmen gegründet, existiert aber nicht mehr. Besuchen kann man dennoch die von 1280 bis 1330 als fünfschiffige Basilika errichtete Klosterkirche Mariä Himmelfahrt. Sie wurde in den Hussitenkriegen zerstört und im 17. Jahrhundert  im barockgotischen Stil nach Plänen der Architekten Paul Ignaz Bayer und Johann Blasius Santini-Aichel erneuert. Heute steht die Basilika auf der Liste des Weltkulturerbes der Unesco.

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