Radiokorrespondentin Stejskalová: Deutsche sind aktiver als Tschechen
Klára Stejskalová war vier Jahre lang Korrespondentin des Tschechischen Rundfunks in Berlin. Im vergangenen Sommer kam sie nach zurück Prag und leitet nun dort die Auslandsredaktion und das Korrespondententeam des Rundfunks. In der vergangenen Woche wurde Klára Stejskalová beim Radio-Festival Prix Bohemia für Ihre Arbeit in Deutschland mit dem so genannten Karel-Kyncl-Preis ausgezeichnet.
„Lang. Ich habe in der Auslandsredaktion gearbeitet. Ich glaube, dass es für die meisten Reporter ein Traum ist, als Auslandskorrespondent zu arbeiten. Ich habe lange Zeit gewartet, um diesen Traum zu erreichen - aber es hat sich gelohnt.“
Haben Sie eine besondere Beziehung zu Deutschland?„Ja, ich habe schon von der Grundschule an Deutsch gelernt. Damals haben meine Eltern mit mir regelmäßig den Urlaub in Deutschland verbracht, und die deutsche Kultur und deutsche Ordnungsliebe haben mir gefallen. Nach der Wende hat sich ganz Deutschland geöffnet, was mich sehr interessiert hat. Heute spielt Deutschland die wichtigste Rolle in Europa, und darum glaube ich, dass das Land auch nie langweilig ist.“
Haben Sie als Auslandskorrespondentin zum ersten Mal für längere Zeit in einem fremden Land gelebt?
„Ja, das war das erste Land und, ich glaube, auch das letzte.“
Welche Rolle spielen die Auslandskorrespondenten in der Zeit der Vernetzung der Welt? Informationen kann man doch überall bekommen…„Heutzutage glauben alle, dass sie im Internet alles suchen und finden können, aber das ist nicht wahr. Ich glaube, dass wir, die Auslandskorrespondenten, auch Neues entdecken können. Der Tschechische Rundfunk als öffentlich-rechtliches Medium sollte sich darum bemühen, eine eigene Berichterstattung zu haben. Die Auslandskorrespondenten können immer etwas Neues bringen, das sich im Internet nicht finden lässt.“
Sie haben vier Jahre in Berlin und in Deutschland verbracht. Könnten vielleicht den Tag eines Auslandskorrespondenten beschreiben?„Jeder Tag ist anders. Manchmal sitzt man den ganzen Tag am Computer, manchmal steht man acht Stunden lang am Brandenburger Tor und feiert mit einer Million Menschen den Weltmeistertitel, manchmal sitzt man im Gerichtssaal und wartet auf ein Urteil. Aber niemals ist es langweilig. Gute Auslandskorrespondenten sind Menschen mit dem Bildungsideal des Humanismus. Man berichtet über den Sport und die Bundesliga, redet mit einem Ökonomen über die Finanzkrise oder erstellt einen Bericht über eine Expressionisten-Ausstellung. Aber das ist für mich eben das Beste an dieser Arbeit. Man kann alles machen und manchmal auch etwas Neues entdecken, sich mit sehr interessanten Personen treffen - die Arbeit ist also nie langweilig. Manchmal ist es auch stressig, aber dieser Adrenalin ist – muss ich sagen – für mich der Antrieb.“
Sie haben viele Themenbereiche genannt. Haben Sie selbst die Themen bestimmt, über die Sie berichtet haben?„Meistens ja. Aber es manche Themen ergeben sich auch aus dem täglichen Geschehen, aus der aktuellen Lage. Das kann zum Beispiel der Besuch eines wichtigen Politikers, eines tschechischen Politikers sein oder die Wahlen und so weiter. Ich muss aber sagen, dass alle Auslandskorrespondenten am liebsten die eigenen Themen haben.“
Also solche, die man sich selbst aussucht. Welches waren Ihre liebsten Themenbereiche?„Themen aus der Kultur: Ich muss sagen, dass ich sehr gerne Ausstellungen besuche und darüber spreche. Ich interessiere mich aber auch sehr für Sport. Ich bin zum Beispiel ein Fan der Formel 1 und war begeistert, als ich vom Hockenheimring aus senden konnte. Es sind sehr viele Themen.“
Haben Sie überwiegend aus Berlin berichtet, oder haben Sie auch Deutschland durchreist?
„Überwiegend aus Berlin, aber ich habe mich bemüht, viel zu reisen. Sicher gibt es aber noch Orte, an denen ich nicht war, und Themen, die ich verpasst habe. Ich muss sagen, eine meiner beliebtesten Städte ist Hamburg. Das ist eine sehr offene Stadt, und ich liebe solche Städte in der Nähe des Wassers. Schade dass der Tschechischen Rundfunk seinen Posten in Berlin hat. Ich glaube, Hamburg ist besser. Ich habe sehr viele Städte und Orte gesehen, aber es gibt auch andere, die ich jetzt noch im Urlaub besuchen muss.“Hat sich Ihr Verhältnis zu Deutschland und zu den Deutschen durch Ihren vierjährigen Aufenthalt verändert?
„Nicht verändert, weil meine Beziehung zu Deutschland auch früher schon positiv war. Aber ich habe neue Seiten entdeckt. Es hat mir sehr gefallen, dass die Deutschen aktiver sind als die Tschechen. In den Städten findet immer etwas statt, man kann immer eine Veranstaltung besuchen. Und was mir auch gefallen hat, ist die aktive Zivilgesellschaft. Die Leute kämpfen für ihre Rechte. Ich glaube, wir Tschechien müssen das noch lernen.“Nach vier Jahren sind Sie nach Prag zurückgekommen. Sie leiten jetzt die Auslandsredaktion und das ganze Team der Auslandsberichterstatter des Tschechischen Rundfunks. Wie viele Korrespondentinnen und Korrespondenten hat eigentlich der Tschechische Rundfunk in der Welt?
„Derzeit haben wir zehn Auslandskorrespondenten. Mein Traum als Leiterin der Auslandsredaktion ist, dass der Beruf des Auslandskorrespondenten im Tschechischen Rundfunk erhalten bleibt. Denn tschechische Zeitungen haben keine Auslandskorrespondenten mehr. Allgemein lässt sich erkennen, dass die Qualität des tschechischen Journalismus etwas sinkt, aber ich hoffe, dass dies im Rundfunk nicht der Fall sein wird.“
Sie haben die Auslandsredaktion auch schon in der Zeit vor Berlin geleitet. Hat diese persönliche Erfahrung im Ausland Ihre jetzige Rolle und Ihre Arbeit in Prag beeinflusst?„Ja. Ich finde, sie hat mir geholfen, weil ich jetzt konkret weiß, was die Korrespondenten machen können, wie ihre Arbeit aussieht. Außerdem ist für mich von großer Bedeutung, dass ich den guten deutschen Journalismus jeden Tag sehen und kennenlernen konnte. Wir haben in Tschechien keine Zeitschriften wie zum Beispiel den ‚Spiegel‘. Ich denke, dass der deutsche Journalismus heute der beste in Europa ist. Und das hat mich sicher beeinflusst.“