Regierung am Ende? Razzia löst Krise aus
Am Donnerstagmorgen ging eine Meldung durch die tschechischen Medien, die wie eine Bombe einschlug: In der vorangegangenen Nacht haben Polizisten der Abteilung zur Aufdeckung des organisierten Verbrechens (ÚOOZ) das Regierungsamt der Tschechischen Republik durchsucht. Im Zusammenhang mit dieser Razzia wurden auch mehrere ehemalige Abgeordnete und Politiker der Regierungspartei ODS verhaftet. Besonders pikant ist, dass die Leiterin von Premier Petr Nečas´ Büro ebenfalls zu den Verhafteten gehört. Über die Zusammenhänge berichtet Marco Zimmermann.
„Sicher ist, dass in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag eine Durchsuchung des Regierungsamtes stattfand. Das Regierungsamt ist etwa vergleichbar mit dem Bundeskanzleramt, es ist so etwas wie das Ressort des Premiers. Dort finden auch die Regierungssitzungen statt, und genau nach der Sitzung aller Kabinettsmitglieder am Mittwoch ist die Polizei gekommen. Die Strafverfolgungsbehörden geben sich zugeknöpft, der Sprecher der Polizeiabteilung zur Aufdeckung organisierter Verbrechen, Pavel Hanták, bestätigte den Einsatz. Er sagte, dass derzeit eine Aktion laufe, aber da die Ermittlungen noch im Gange seien, würden derzeit keine aktuellen Informationen herausgegeben. Die Aufsicht führe die Oberstaatsanwaltschaft in Olomouc / Olmütz, und alle Aktionen des laufenden Verfahrens seien durch die Gesetze gedeckt, so der Polizeisprecher. Bekannt wurden dann im Laufe des Vormittags auch noch diverse Verhaftungen: Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Bürgerdemokraten ODS, Petr Tluchoř sowie der ehemalige Abgeordnete und Landwirtschaftsminister Ivan Fuksa sind in Haft, sowie die Chefin von Nečas´ Büro, Jana Nagyová.“
Weiß man, warum diese Razzia stattfand, oder warum die Personen verhaftet wurden?„Nein, bisher sind keine bestätigten Informationen darüber zu erhalten. Die tschechischen Medien spekulieren aber heftig. Im Laufe des Vormittags wurde bekannt, dass weitere Durchsuchungen stattfinden, zum Beispiel im Verteidigungsministerium, bei der staatlichen Forstverwaltung, im Prager Magistrat und auch bei einigen so genannten Lobbyisten. In Tschechien werden damit Geschäftsleute bezeichnet, die sehr einflussreich und gut vernetzt sind und so an zahlreiche staatliche Aufträge gelangen. Deshalb gibt es derzeit wilde Spekulationen, ob die Verhafteten in Verbindung zu solchen Geschäftsleuten stehen und da irgendwelche Posten erhalten haben für die Vergabe von Aufträgen und ähnliches.“
Wie sind die bisherigen Reaktionen, vor allem aus der Opposition?„Am Donnerstag lief auch eine Parlamentssitzung, und zahlreiche Abgeordnete reagierten empört, aber auch ahnungslos. Die stärkste Oppositionspartei, die Sozialdemokraten haben sich geäußert, ihr Fraktionsvorsitzender Jeroným Tejc erklärte, eine solche Aktion sei beispiellos, das habe er noch nie erlebt und verglich Tschechien mit einer Bananenrepublik. Für weitere Schritte wolle die Partei aber erstmal die weiteren Ermittlungen abwarten. Andere Oppositionsparteien waren da weniger zurückhaltend, die Partei der öffentlichen Angelegenheiten erklärte zum Beispiel, vorgezogenen Neuwahlen sofort zuzustimmen. Aber es gab auch andere Stimmen. Aus der kleinsten Regierungspartei Lidem hieß es, es gelte noch immer die Unschuldsvermutung, und solange es keine konkreten Informationen gebe, sollte nichts überstürzt werden.“
Wie geht es nun weiter?„Das Parlament hat seine Sitzung erst einmal unterbrochen und es gibt die Information, dass sich Staatspräsident Miloš Zeman am Freitagvormittag mit Premier Petr Nečas, dem Polizeipräsidenten Martin Červíček und dem Parteichef der Sozialdemokraten, Bohuslav Sobotka, treffen will. Wie sehr die Regierung durch die Razzia bedroht ist, das lässt sich aber noch nicht beurteilen.“