Schüler in Tschechien erreichen beim Pisa-Kreativitätstest nur Durchschnitt
Kreatives Denken ist nicht die stärkste Seite der Schüler in Tschechien. Das zeigt der aktuelle Pisa-Vergleich. Ob die Politik etwas dagegen tun kann?
Durchschnitt. Diesen belegen die 15-Jährigen in Tschechien im weltweiten Vergleich, wenn es um das Thema Kreativität geht. Das ergab eine neue Analyse anhand der letzten Pisa-Tests, die 2022 in 64 Industrieländern durchgeführt worden waren. Der tschechische Bildungsminister, Mikuláš Bek (Stan), kommentierte die Ergebnisse bei der Vorstellung Mitte Juni folgendermaßen:
„In unseren Schulen wird immer noch vor allem der Frontalunterricht praktiziert. Dieser ist für die Ausbildung eines kreativen Denkens zweifelsohne kein gutes Instrument. Es ist an der Zeit für eine ernste Debatte in den Lehrerzimmern, auf welche Art diese Fähigkeiten der Schüler stimuliert werden können.“
Das kreative Denken der Neuntklässler wurde 2022 neu in den Pisa-Test integriert. Es sei nämlich, so die Experten, eine zentrale Kompetenz für das 21. Jahrhundert. Hingewiesen wird dabei vor allem auf die schnellen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen in der Welt.
Auch der Hauptschulinspektor Tschechiens, Tomáš Zatloukal, betont, dass Einfallsreichtum den Jugendlichen eine bessere Anpassung an die Herausforderungen der heutigen Zeit ermögliche. Die Pisa-Studie zeige allerdings, dass die hiesigen Schüler nicht besonders offen für unkonventionelle Problemlösungen seien. Sie ließen es an Hartnäckigkeit und Neugier mangeln, so Zatloukal:
„Den Unterricht dominiert hierzulande der Lehrer. Das schränkt die Möglichkeiten für Äußerungen seitens der Schüler erheblich ein. Sie bestätigen uns auch, dass sie sehr wenig Raum haben, sich in den einzelnen Bereichen einzubringen.“
Im Vergleich zu den anderen Ländern, die vergleichbare Bildungssysteme haben, würden die Schüler in Tschechien am wenigsten direkt in den Unterricht eingebunden, fügt Zatloukal hinzu.
In Tschechien haben mehr als 2600 Jugendliche aus insgesamt 412 Schulen an dem Pisa-Test teilgenommen. Am besten schnitten sie beim Verfassen von Texten ab. Probleme bereitet ihnen dagegen die Lösung wissenschaftlicher Aufgabenstellungen. Den tschechischen Schülern fällt es zwar nicht schwer, kreative Vorschläge zu machen. Bei deren Beurteilung und Weiterentwicklung hapere es dann aber, so die Studie.
Von allen 64 getesteten Ländern landet Tschechien außerdem an drittletzter Stelle, was das Selbstbewusstsein hinsichtlich der eigenen Kreativität angeht. Die Jugendlichen hierzulande trauen sich also kaum zu, eine Aufgabe in fantasievoller Weise anzugehen. Und die Studie belegt erneut, dass in Tschechien das sozioökonomische Umfeld eines Kindes einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Ausbildung seiner Kreativität hat. Wer in der Familie nicht unterstützt wird oder werden kann, sollte eigentlich in der Schule unabhängig davon eine bestmögliche Bildung und Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt bekommen. Diese ausgleichende Funktion füllen aber die hiesigen Bildungseinrichtungen oft nicht aus, wie auch dieser Pisa-Vergleich zeigt.
Minister Bek betont jedoch, dass entsprechende Reformen von der Politik bereits ausgearbeitet würden. Die Überarbeitung des Rahmenlehrplans für die Grundschulen sei in der finalen Phase, so der Ressortleiter gegenüber der Presse:
„Wir zielen darauf ab, dass es in den ersten Jahren auf der Grundschule keine Schulnoten mehr geben wird. Stattdessen wird viel mehr Raum für eine formative Bewertung der Kinder geschaffen. Dadurch sollen sie eine genauere Rückmeldung bekommen bezüglich dessen, worin sie sich verbessern müssen. Außerdem müssen wir den Lehrplan an die heutige Kindergeneration anpassen.“
Bei der Kreativitäts-Analyse platziert sich Tschechien insgesamt an 15. Stelle und liegt mit 32,6 Punkten fast genau im Pisa-Gesamtdurchschnitt von 32,7 Punkten. Ähnliche Ergebnisse erreichten auch die Schüler in Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden. An der Spitze liegt Singapur mit 41 Punkten, dahinter folgen Korea und Kanada. Den Abschluss der Rangliste bildet hingegen Albanien mit 13 Punkten.