Tschechische Landwirtschaft vor dem EU-Beitritt

Der Countdown läuft, gibt es dieser Tage immer wieder zu hören. Mit Recht. Gemeint ist nämlich der 1.Mai, Tag des EU-Beitritts Tschechiens. Die einen sehen ihm mit Hoffnung, die anderen wiederum mit Angst entgegen. Dies trifft auch für die tschechischen Landwirte zu. Einen Einblick in diesen Bereich will Ihnen Jitka Mladkova im folgenden Beitrag vermitteln:

Unterschiedlich entwickelte Volkswirtschaften mit nicht zuletzt sehr unterschiedlichen Agrarwirtschaften der einzelnen Beitrittsstaaten unter einen gemeinsamen EU-Hut zu bringen, das gilt als eine Aufgabe, deren Umsetzung keineswegs auf kurze Zeit anberaumt werden kann. Schließlich gehörte dieser Bereich der Beitrittsverhandlungen zu den allerschwierigsten. In einem Land wie Tschechien, wo die Auswirkungen der Planwirtschaft sowie die der einst vollständig kollektivierten Landwirtschaft auch 14 Jahre nach der Wende nicht restlos als bewältigt gelten, war und ist der Umstieg auf das EU-Regelwerk in den einzelnen Branchen eine schmerzliche Angelegenheit. Die tschechische Landwirtschaft rühmte sich in den früheren kommunistischen Zeiten autark zu sein. Es war dann schwer, an dem lange gebauten Image der Ernährer der Nation, der Landwirte also, zu kratzen. Heutzutage gibt es in den heimischen Medien immer wieder von verschiedenen Ängsten zu hören bzw. zu lesen: die traditionellen Kartoffelzüchter in den Regionen der Böhmisch-Mährischen Anhöhe fürchten sich vor billigen Kartoffelimporten aus Westeuropa. Ähnliches fürchten ostböhmische Obstzüchter, westböhmische Hühnerzüchter und und und... Nun drängt sich die Frage auf: Sind die Befürchtungen am Platze? Diese Frage stellte ich dem Sekretär der Tschechischen Agrarkammer, Jan Zahorka:

" Die Befürchtungen ergeben sich vor allem aus der Tatsache, dass die Höhe der ausgehandelten Produktionsquoten bzw. - limits dem Produktionsniveau der Landwirtschaft in der Vorkriegstschechoslowakei entsprechen. Das Volumen unserer Landwirtschaftsproduktion, in Festpreisen ausgedrückt, wird in etwa der Produktion des Jahres 1937 entsprechen. Das wird uns einige Jahre lang beschränken und das Produktionsniveau drücken."

Einen anderen Risikofaktor sieht Zahorka in den niedrigeren Direktzahlungen im Vergleich mit den jetzigen EU-Ländern. Die EU zahlt den Landwirten nur 25 Prozent der in der Union üblichen Zahlungen, wobei der jeweilige Staat diese auf bis zu insgesamt 55 Prozent anheben kann. Als einen besonders gravierenden Nachteil der tschechischen Landwirtschaft nennt der Sekretär der Agrarkammer die extrem hohe Verschuldung in diesem Bereich. Diese sei z.B. auf unbezahlte Kredite, Zahlungen für das einst verstaatlichte und dann privatisierte Eigentum im Rahmen der Restitutionen und nicht zuletzt auch auf Schäden der verheerenden Hochwasserkatastrophen 1997 und 2002 zurückzuführen. Laut Zahorka konnte die tschechische Landwirtschaft in den zurückliegenden 14 Jahren nur in drei Jahren einen Gewinn aufweisen. Gibt es also etwas, was die Landwirte hierzulande trotz der befürchteten Nachteile doch als positiv wahrnehmen? Noch einmal Jan Zahorka:

"Wir erwarten vor allem stabilere Bedingungen bei der Marktregulierung, namentlich im Bereich der Getreide - und Milchproduktion. Gleichfalls sind wir der Ansicht, dass sich die geplante Reform der EU-Agrarpolitik, die etwa in zwei Jahren umgesetzt werden soll, auf Umweltschutz, Förderung des ländlichen Raumes usw. orientieren wird. Hier hängt es schon von uns ab, wie wir damit fertig werden. Wir haben mittlerweile entsprechende Pläne ausgearbeitet und die darin vorgesehenen Maßnahmen sollten uns dazu verhelfen, nicht als Outsider in Europa zu gelten."