Von der Theorie zur Praxis: Petr Fialas Weg in die Politik
Ungewöhnlich, aber den Umständen entsprechend würdevoll – so wird allgemein die Ernennung Petr Fialas zum neuen Premier Tschechiens bewertet. Präsident Miloš Zeman, der aktuell mit dem Coronavirus infiziert ist, nahm ihm am Sonntag den Eid aus einer Plexiglasbox heraus ab. Wer der neue Regierungschef ist, erfahren Sie in unserem kurzen Porträt.
„Ich schwöre.“ 50 Tage nach der Abgeordnetenhauswahl konnte Petr Fiala am Sonntag seinen Eid als neuer Regierungschef Tschechiens ablegen. Der Vorsitzende der Bürgerdemokraten (ODS) ist der 13. Premier der eigenständigen Tschechischen Republik und der vierte aus den Reihen seiner Partei.
Fiala stammt aus Brno / Brünn, ist verheiratet und hat drei Kinder. Geboren 1964, beschäftigte er sich ab 1989 zunächst nur theoretisch mit der Politik. Er war Mitbegründer des Fachbereichs Politologie an der Masaryk-Universität in Brünn. Als Publizist und Kommentator leistete Fiala seinen Beitrag zur Demokratisierung der postkommunistischen Strukturen – wie etwa in einer Diskussionsrunde des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens vom September 1996:
„Parteien in politischer Verantwortung müssen immer auch neue Themen suchen und neue Wähler ansprechen“,
so eine seiner damaligen Erläuterungen.
2002 wurde Fiala von Václav Havel zum ersten Politologieprofessor hierzulande ernannt, seit 2004 war er Rektor der Brünner Universität. Mit diesem Hintergrund ging Fiala 2011 in die Politik – zunächst als Berater für den Bereich Wissenschaft des damaligen Premiers Petr Nečas (ODS). Immer noch parteilos, wurde Fiala 2012 für ein gutes Jahr Bildungsminister und gewann im Oktober 2013 sein erstes Abgeordnetenmandat im südmährischen Kreis. Einen Monat später trat er dann in die Bürgerdemokratische Partei (ODS) ein. In den politischen Krisenzeiten, die das unrühmliche Ende der Nečas-Regierung ausgelöst hatte, kandidierte der Politik-Neuling für den Parteivorsitz:
In seiner Bewerbungsansprache garantierte er unter Verwendung einer saloppen Redensart, dass mit ihm an der Spitze die ODS bald wieder „in Ordnung gehen“ würde. Der Wahlsieg vom Oktober dieses Jahres gibt ihm nun Recht. David Klimeš, Kommentator vom Nachrichtenportal Aktualne.cz, würdigte Fialas Werdegang in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Seit 2014, als die ODS völlig am Boden lag, hat sich Fiala unglaublich hervorgetan. Als er in die Politik kam, war er immer noch der Akademiker, aber er hat schnell das politische Handwerk erlernt. Hartnäckig besteht er auf seinem Prinzip, dass nichts als) beschlossen gilt, so lange nicht alles beschlossen ist. Er betreibt keine häppchenweise Informationsfreigabe. Dies ist manchmal auch ein Nachteil, denn damit kann er die öffentliche Diskussion nicht antreiben.“
Nach wie vor wirkt Fiala häufig etwas steif. Aber gerade seine Sachlichkeit hat ihm wohl nun den Premierposten eingebracht. Als glücklich erwies sich die Entscheidung, mit den Christdemokraten und der Partei Top 09 ein Wahlbündnis einzugehen. Als am 9. Oktober klar war, dass die „Spolu“ (Gemeinsam) genannte Dreierkoalition mit knapp 36.000 Stimmen vor der bisherigen Regierungspartei Ano von Andrej Babiš lag, deklarierte Fiala dies als Sieg einer „anständigen und werteverbundenen Politik“. Wiederholt fiel das Losungswort vom „politischen Wandel“, auf Tschechisch „změna“:
Diese Veränderung ist nach Meinung von Kommentatoren bereits jetzt deutlich sichtbar. In seiner ersten Ansprache unmittelbar nach seiner Ernennung zum Premier am Sonntag ging Fiala auf die Corona-Pandemie ein:
„Das Erste, was ich in meiner neuen Funktion tun möchte, ist mich zu bedanken bei allen Bürgern, die sich bewusst sind, dass mit Freiheit auch Verantwortung verbunden ist. Damit meine ich alle, die sich bereits haben impfen lassen und damit ihre eigene Gesundheit schützen wie auch die der ihnen Nahestehenden.“
Dem folgte der Dank an das medizinische Personal im Land und dessen Einsatz „unter den schweren Bedingungen“ der Pandemie. Dieser erste Auftritt Petr Fialas als Premier Tschechiens wurde allgemein als sachlich und staatsmännisch gelobt, die Kommentatoren betonen unisono den Unterschied zum Stil Andrej Babišs. Dieser führt die Regierungsgeschäfte noch so lange weiter, bis Präsident Zeman auch die Ministerriege Fialas ernennt. Dies wird für die Woche ab dem 13. Dezember erwartet.