Zwischen dem Kreuz und der Nation - Jaroslav Sebeks Buch über sudetendeutschen Katholizismus

Die Geschichte des sudetendeutschen Katholizismus in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit wird in einem Buch zusammengefasst, das unter dem Titel "Mezi krizem a narodem" (zu Deutsch etwa zwischen dem Kreuz und der Nation) dieser Tage in Prag erscheint. Die erste tschechische Monografie zu diesem Thema stammt von Historiker Jaroslav Sebek. Martina Schneibergova hat mit ihm gesprochen.

Jaroslav Sebek befasst sich in seinem Buch einerseits mit der ideologischen und politischen Entwicklung der Christlich-Sozialen Partei, andererseits mit den Aktivitäten der deutschen katholischen Vereine. Er beschäftigt sich auch mit der Politisierung der Bemühungen um eine geistliche Erneuerung, die zur allmählichen Nationalisierung des konfessionellen Milieus führten. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Habsburger Monarchie kam es innerhalb der Kirche zu bedeutenden Änderungen. Es setzten sich antiklerikale Tendenzen durch, die Ungunst des Staates erweckte in den kirchlichen Kreisen das Vorhaben, sich eher auf eine spirituelle Erneuerung zu konzentrieren. Im deutschen Milieu war die Lage in jener Zeit noch komplizierter, sagt Dr. Sebek:

"Die deutschen Katholiken standen von zwei Seiten unter Druck: Einerseits waren sie genauso wie die Tschechen antikatholischen Angriffen ausgeliefert. Andererseits befanden sie sich in der Lage einer Minderheit in einem Staat, der eigentlich gegen ihren Willen entstanden war. Sie mussten sich sowohl mit dem Problem der Säkularisierung, als auch mit den Befürchtungen vor dem Verlust der nationalen Identität auseinandersetzen."

Jaroslav Sebek  (Foto: Autorin)
Aufgrund dessen bildete sich im deutschen katholischen Milieu eine Strömung, die die erwähnte spirituelle Erneuerung propagierte. Parallel dazu entwickelte sich die Bemühung um eine Stärkung der nationalen Identität. Damals seien, so der Historiker, die Voraussetzungen für eine stärkere Nationalisierung des Kirchenmilieus geschaffen worden. Dennoch gab es auch weniger nationalistisch geprägte Kreise:

"Es gab hier natürlich auch Strömungen, die nicht als ausgeprägt national bezeichnet werden können. Es handelte sich meistens um Angehörige der traditionellen katholischen Vereine oder katholischer Jugendorganisationen. Diese Leute setzten sich in dem komplizierten politischen Umfeld stark für eine tschechisch-deutsche Annäherung ein. In den dreißiger Jahren halfen sie der deutschen politischen Emigration. Sie knüpften enge Beziehungen zu tschechischen katholischen Organisationen. Diese katholischen Vertreter kann man als immun gegenüber der fortschreitenden Nationalisierung bezeichnen."

Kurz vor der Herausgabe seines Buchs hat Jaroslav Sebek, der im Historischen Institut der Akademie der Wissenschaften arbeitet, einen Vortrag mit dem Titel "Sudetendeutscher Katholizismus auf dem Kreuzweg" gehalten. So wird auch sein Buch in der deutschen Fassung heißen, der bald vom LIT Verlag herausgegeben wird.

Am Montag wurde Jaroslav Sebek von der Akademie der Wissenschaften mit dem Otto-Wichterle-Preis bedacht, der jungen Wissenschaftlern für hervorragende Forschungsresultate erteilt wird.